Malworkshop I

mit dem Kunst-LK des Johanneums Lüneburg

Ein Kunst-LK packt aus

Tagebucheintrag vom 3. März 2017

Freitagmorgen, 8:00 Uhr, im Johanneum Lüneburg. Einen fliegenden Stundenwechsel gibt es für den Kunst-LK des diesjährigen Abi-Jahrgangs von Frau Dombrowski heute nicht. Uwe Appold bereitet seinen Workshop vor, verteilt Leinwände, Pinsel und Farbpaletten auf mit Folie abgedeckte Tische. Nach der Begrüßung und Projekterklärung beschreiben die zehn Schülerinnen und zwei Schüler mit Hilfe von Skizzen ihre Kunstideen zum Thema des Workshops „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Hierfür hat sie neben der Auseinandersetzung im Unterricht die gestrige Werkeinführung zu Pendereckis Lukaspassion durch Ulf Pankoke inspiriert. Komponist, Musik und Vorstellung haben sie begeistert und nun kann der Funke auch in die Finger und auf die Leinwände überspringen. Los geht’s, das Material liegt bereit, die Sonne scheint erwartungsvoll durchs Fenster. Aus großen Flaschen kann sich mit Acrylfarbe versorgt werden. „Ich trau mich immer nicht, anzufangen“, wird sich zunächst beschwert, doch die Hemmungen sind schnell überwunden.

Erster Tipp von Appold: die über 30x50cm große Leinwand grundieren und großflächig arbeiten, damit die Ausstellungsbesucher auch von weitem etwas erkennen und das Werk innerhalb der sechs Stunden Workshopzeit auch Vollendung findet. Dieser Tag ist gleichzeitig eine gute Vorbereitung aufs Abitur, zeigt er den Schülern doch, wie viel sie in welcher Zeit schaffen.

Einen ersten Anstrich bekommen nicht nur die Leinwände: „Hätte ich mal nicht diese Hose angezogen… geht das wieder raus?“ Schnell werden schützende Kittel aus Müllbeuteln geschnitten.
Ab und zu schauen die Schüler auf ihre Skizzen in dicken Kunstmappen, die in zwei Jahren Oberstufe zu Unterrichtsthemen entstanden und stetig gewachsen sind. Ihre beeindruckende Vielfalt zeigt, wie viel Kreativität in den jungen Künstlern steckt, von denen einige nach dem Abitur künstlerische Laufbahnen einschlagen wollen.

11:00 Uhr. Die ersten Ergebnisse stehen oder sind schon gut zu erahnen. Die Stimmung ist entspannt, fröhlich, trotz Abiturprüfungen in drei Wochen, man unterhält sich beim Malen, lobt sich gegenseitig, lacht, die Tür steht offen und Freunde kommen in ihren Pausen vorbei. Uwe Appold und Frau Dombrowski haben einen guten Draht zu den Schülern, ihre Anregungen werden gern angenommen und können auch mal offen diskutiert werden. „Was denkst du selbst?“, ist oft Appolds erste Frage. Seine Wertschätzung und Verbesserungsvorschläge vom Fach kommen gut an.

Eine Schülerin fragt sich, ob ihre Botschaft gut vermittelt wird. Soll sie zusätzlich Worte einfügen oder nicht? „So ist das Bild schon konnotiert, das wird schwierig mit deiner Botschaft“, meint Uwe Appold. Die Kreidestriche werden noch einmal mit einem sauberen Pinsel und Wasser entfernt und alles wirkt wieder anders, der Prozess läuft, es wird neu überlegt und bleibt spannend.

Uwe Appold und eine Schülerin stehen mit kritischem Blick, die Köpfe zusammengesteckt, betrachten ihr an die Tafel gelehntes Bild aus einiger Entfernung, tauschen Worte, deuten mit dem Finger, fachsimpeln. „Das ist fertig“, nickt Appold und legt dann den Kopf schief: „An der Seite ist noch viel Platz, da könnte noch was hin… Wie wär’s mit Text, der Titel, zu lesen von der Seite?“ Währenddessen überlegt eine andere Künstlerin: „Da fehlt noch was, oder? Was Blaues?“ – „Ich würde hier eher den Arm besser herausarbeiten, heller machen“, meint Uwe Appold dazu. Ab und zu erklingt ein Föhn, die ersten Schichten sollen schneller trocknen, damit weitere folgen können.

„Super, Motiv und Struktur sind klar, jetzt ran, mutig!“, motiviert Frau Dombrowski einmal. Die Antwort ist ein unsicheres Lächeln. Da wird der Pinsel auch schon mal selbst in die Hand genommen, gegen einen Spachtel getauscht und demonstriert, wie schwungvoll und kühn letzterer sein kann.

Die Mittagspause kann sich heute jeder Schüler flexibel legen. Langsam ist Zeit für die Titelsuche. Mit Blick auf die Werke ihrer Kameraden werden kreativ Worte kombiniert, Anspielungen auf Sprichwörter und Werbekampagnen gemacht, aus einer chilenischen wird eine neuartige chinesische Quallenart – aber verstehen die Ausstellungsbesucher die Anspielung auch, wenn sie sehen, dass die Qualle eigentlich eine Plastiktüte ist?

Eine Schülerin glaubt überhaupt nicht weiterzukommen, da hilft eine andere Technik als Lösung: über die Terrassentür des Raumes raus in den sonnigen Hof und Farben über einen Teil der Leinwand laufen lassen. Die Wirkung ist eindrucksvoll, findet nicht nur auch Anna-Kristina Bauers Kamera, die die Schüler in ihrem künstlerischen Prozess heute begleitet. Die angesprochene Schülerin lächelt verhalten, aber stolz und nimmt ihr Werk für die weitere Bearbeitung zurück auf ihren Platz.
Noch zwei Stunden Zeit, doch die ersten sind fertig. Was nun? Kein Problem, ein leeres Blatt ist schnell besorgt und es kann sich neu ausgetobt werden. Es wird abstrakt, die Farbe spritzt nur so vom teils geschleuderten Pinsel.

Die Schwierigkeit ein Ende zu finden meistern die Schüler souverän, irgendwann ist auch mal Schluss, ein Bild ist fertig und jeder zusätzliche Farbstrich wäre zu viel.

In der gemeinsamen Auswertungsrunde zeigt sich: das war ein gelungener Workshop! Die hoch motivierten Schüler hatten Freude und schauen stolz auf ihre Ergebnisse. Ob Konflikte in menschlichen Beziehungen, politische Themen oder Autobiografisches, „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ hat in jedem etwas zum Klingen gebracht. Auch Uwe Appold ist zufrieden, nickt anerkennend und freut sich auf die baldige Dialogausstellung in St. Johannis Lüneburg zusammen mit den Werken von Schülern der Johannes-Rabeler-Schule.

Maria Lendel, PASSIO Projektassistenz